"Alter Bahnhof" steht Kopf

Wenn sie spricht, ist sie die deutsche Synchronstimme von „Mickey Mouse“, aber wehe, ihr ist ein Mikrofon und eine Hand voll Instrumentalisten gegeben, dann entfesselt sie eine Power, die Gehörgänge und Herzen erobert und Hirne zur Explosion bringt! Sandy Wollasch war Mitte Juli einmal mehr Gastsängerin (weiterer Gaststar: Ira Diehr) beim längst legendären „Matthias-Hautsch-Trio“ und gemeinsam lockten sie einmal mehr die Massen zum „Sonntagsfrühschoppen“ in den „Alten Bahnhof“. Wie bereits beim Konzert vor zwei Jahren hatte die unbeständige Witterung den Open-Air-Freunden einen Strich durch die Rechnung gemacht und ein sichtlich erschöpfter „Kulturattachee“ Klaus Maier hatte vom hin- und herschleppen der anlage Arme bis auf den Boden. Umso besser, konnte er damit doch noch frenetischer applaudieren, als die Wollasch mit Madonnas „Like a virgin“ sein Lieblingsstück zum Besten gab.

Es ist die Kunst, die Wünsche des Publikums wie im Schlaf zu erraten und dann in grandiose Musik umzusetzen, die neben dieser Band kaum eine Zweite in dieser Perfektion beherrscht: Jede Regung im Auditorium nehmen die Vollblut-Musiker auf und setzen sie in wahrhaft klingende Münze um. So fesselten Frontmann und Extraklasse-Gitarrist Hautsch zusammen mit seinem Bassisten Thorsten Steudinger und dem Drummer Cay Rüdiger die Massen durchaus auch instrumentell. Kein Problem für drei Musiker, denen Töne statt Blut durch die Adern zu fließen scheint, und die pure Lebensfreude in rauen Mengen über dem Publikum auszustreuen haben. Dabei kommt den drei erstklassigen Meistern ihres jeweiligen Instruments zugute, dass sie das, was sie aus vollem Herzen rüberbringen wollen, ganz ohne Probleme auf Saiten und Felle zu übertragen und in Musik zu übersetzen verstehen. Technische Versiertheit paart sich bei diesem Trio mit interpretatorischem Witz und einer unglaublichen Phantasie. So nimmt die Band, die „irgendwie“ auch covert, bekannte Werke aus Jazz, Pop und auch einmal Rock, zertrümmert die ursprüngliche (meist recht flache) Tonsprache in ihre Grundelemente und baut daraus – Ton für Ton und gleichsam Atom für Atom – ein neues achtes Weltwunder zusammen: Musikalische Reinkarnation mit viel Esprit und Geist.

Wenn zu diesen drei Musikgrößen noch eine Powerfrau wie Sandy Wollasch tritt, die zu recht den Titel „heißeste Stimme Karlsruhes“ trägt, dann ist der Ekstase keine Barriere mehr gesetzt: Die biegbare Stimme der jungen Frau begeistert und raubt gerne auch mal den Atem, wenn sie „a sentimental mood“ Ella Fitzgerald ein Denkmal setzt, indem sie die uneinnehmbare amerikanische Jazz-Ikone gerade nicht kopiert, sondern nur ihren bekannten Titel in ganz neue Zusammenhänge setzt.


Einmal mehr stand der „Alte Bahnhof“ Kopf und es ist überhaupt keine Frage: Matthias Hautsch und seine Mannen und vor allem Sandy Wollasch haben – frei nach dem Hit Dinah Washingtons - gezeigt, „what a difference a day makes- and the difference is you!“